Die glücklichen Eglis vom Feldhof: Wie es kam, dass der Sohn zur Mutter in den Kantonsrat stösst, in dem sein Vater auch schon sass

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Michael Nittnaus, Tagblatt

Die Rossrüter Familie Egli und der St.Galler Kantonsrat scheinen füreinander bestimmt zu sein. Ein Besuch am Küchentisch von Ursula, Lorenz und Dominik Egli.

Die Strasse von Rossrüti zum Feldhof führt bergauf. Das tat sie schon immer. Sie heisst Freudenbergstrasse. Auch das ist nichts als konsequent, liegt sie doch am Freudenberg. Und doch beschleicht einen auf dem Fussmarsch zum Bauernhof der Familie Egli das Gefühl, dass dies mehr als Zufall ist. Als an diesem nasskalten Donnerstagmorgen auch noch just beim Anblick der im Wind wehenden Rossrüter Fahne beim Hofeingang der Dauerregen aussetzt und vorsichtig die Sonne gegen die Wolkendecke drückt, steht zweifelsohne fest: Hier wohnt das Glück.

Die Eglis scheinen das Glück gepachtet zu haben

Bei den Eglis hat das Glück drei Gesichter: jene von Lorenz, Ursula und Dominik. Das Bauern-Ehepaar und ihr Drittgeborener sind nicht nur eine Familie und Wohngemeinschaft. Stark verbunden sind sie auch durch die Politik, da alle drei für die SVP im St.Galler Kantonsrat sassen, sitzen oder sitzen werden.

Vater Lorenz von 1996 bis 2012, Mutter Ursula von 2016 bis heute und Sohn Dominik stösst ab dem 3. Juni zu ihr. Der 24-Jährige wurde am 3. März neu in die Pfalz gewählt, indem er sich den sechsten und letzten SVP-Sitz des Wahlkreises Wil sichern konnte.

Die Reaktion des Vaters? «Ich war ganz schön baff und habe erst mal leer geschluckt, dass so ein Junger wie Dominik auf Anhieb ins Parlament kommt», erzählt Lorenz Egli am heimischen Küchentisch. Und die Mutter? «Ich dachte erst ich lese nicht recht. Ich wollte eigentlich bloss, dass er auf unserer 18er-Liste nicht letzter wird», sagt Ursula Egli frei heraus.

Nicht einmal Dominik Egli selbst hatte sich Wahlchancen ausgerechnet: «Dass ich bei meinem ersten Anlauf direkt in den Kantonsrat gewählt werde, war gar nicht mein Ziel. Ich wollte in erster Linie an Bekanntheit zulegen, um im Herbst sicher ins Wiler Stadtparlament wiedergewählt zu werden.»

5050 Stimmen machte Dominik Egli. 60 weniger und der siebtplatzierte Patrik Lerch aus Wil hätte an jenem Sonntag jubeln dürfen. Auch Sabrina Hungerbühler (Niederhelfenschwil) und Christian Kamber (Niederuzwil) lagen auf der SVP-Liste nur rund 100 Stimmen zurück. Egli weiss: «Es war sicher auch viel Glück dabei bei meiner Wahl.»

Vater Lorenz sah sich als reinen Listenfüller

Das Glück ist den drei Eglis auf politischer Ebene schon länger hold. Beispielsweise 2020, als Dominik genauso unerwartet ins Wiler Stadtparlament einzog oder Ursula Egli als erstes SVP-Mitglied überhaupt der Sprung in den Stadtrat gelang. Ihren Anfang hatte die Glückssträhne aber im Jahr 1996: «Bis dahin war meine Familie nie gross politisch aktiv, weder meine Eltern noch Grosseltern. Wir hatten genug zu tun auf dem Feldhof. Bei mir war es letztlich ein Bauchentscheid, mich für die Kantonsratswahlen aufstellen zu lassen – als Listenfüller der neu gegründeten SVP», erzählt Lorenz Egli in seiner für ihn typischen gemächlichen Art.

Prompt wurde der damals 30-Jährige gewählt. Etwas, dass seiner Frau nicht auf Anhieb gefiel: «Als er mir vor der Wahl sagte, er sei nur Listenfüller, war ich zunächst beruhigt. Danach musste ich erst leer schlucken. Unsere Erstgeborene war gerade einmal halbjährig und wir hatten viel zu tun auf dem Hof.» Heute blickt der 58-Jährige nüchtern auf seine überraschende Wahl zurück: «Ich habe mich gefügt und meinen Job gemacht.»

Er verhehlt aber nicht, dass es ein Kraftakt war: «Anfangs stiess ich schon an meine Grenzen als junger Vater, Bauer und Politiker.» Lorenz Egli musste Prioritäten setzen, verabschiedete sich unter anderem vom Betriebszweig der Viehtransporte. «Kantonsrat zu sein, ist ein ehrwürdiges Amt, aber ich habe schon auch Respekt vor dem Aufwand. Mir hilft sicher, dass ich noch keine Kinder habe», sagt Dominik Egli und blickt leicht schmunzelnd zu seiner Mutter, die vier Kinder zur Welt brachte.

Ursula Egli: Erst Mutter, dann die Politik

Die heute 53-jährige Ursula Egli stieg 2012 in die Politik ein, da war Dominik immerhin schon Teenager. «Früher einzusteigen, war für mich ausgeschlossen. Ich war auf dem Hof die Innenministerin, schaute auf die Kinder, war für das Wohl der Familie zuständig und half draussen, wo ‹Not an der Frau› war. Lorenz hatte das Sagen in Stall und Feld. Dass wir beide gleichzeitig politisieren würden, kam für mich nicht in Frage.»

2012, also nach 16 Jahren im Amt, trat der Landwirt nicht mehr zur Wiederwahl in den Kantonsrat an. «Es war eine schöne Zeit, aber irgendwann wiederholt sich in der Pfalz alles», sagt er dazu. Im gleichen Jahr liess sich Ursula Egli fürs Stadtparlament aufstellen und wurde – natürlich – auf Anhieb und wider Erwarten gewählt.

2016 wiederholte sich das Spiel bei ihrer Wahl in den Kantonsrat. Heute bleibt Egli nichts anderes, als mit den Schultern zu zucken und mit einem fast verlegenen Lächeln zu sagen: «Ich dachte wirklich nicht, dass ich eine Chance hätte.» Wie viel (Wahl-)Glück kann eine Familie haben? Die knappe Erklärung von Lorenz Egli:

«Man muss halt nicht zu verbissen an eine Sache rangehen, dann klappt es meist.»

Wer nun das Gefühl bekommt, hier sei eine Familie mehr oder wenig zufällig von einem Wahlerfolg zum nächsten gestolpert, irrt freilich. Die Eglis vom Feldhof sind Vollblutpolitiker und engagieren sich auch in diversen Wiler Vereinen stark, Dominik beispielsweise bei der Clairongarde der Jungwacht oder den Fanfaren an der Wiler Fastnacht. «Diesen Vereinen bleibe ich trotz weniger Zeit sicher treu, denn schliesslich waren sie an meiner Wahl vom 3. März sicher nicht ganz unschuldig.»

Dominik Egli wurde am Küchentisch politisiert

Auch ein Faktor: Das Radio in der Küche läuft ununterbrochen: «Man muss doch wissen, was auf der Welt passiert», sagt Ursula Egli. Am Familientisch ging es schon früh weniger um Fussball denn um die Politik. Dominik Egli spricht offen davon, wie stark ihn seine Eltern politisch geprägt haben: «Wirklich rebellieren musste ich nie gegen sie. Bei meiner Parteiwahl hatte ich mir kurz überlegt, zu den Jungfreisinnigen zu gehen, doch die SVP war mir dann eben doch näher.»

Etwas ist wichtig, möchte man das Erfolgsrezept dieser Familie verstehen: Die Eglis sind patriotisch, fast immer auf Parteilinie (Ursula Egli: «Ich musste im Kantonsrat noch nie gegen meine Fraktion stimmen.»), aber sie tragen in der Politik keine Scheuklappen. Oder wie es Lorenz Egli beschreibt: «Mein Beruf als Bauer hat mich geprägt. Man muss sehr flexibel und bereit sein, mit den verschiedensten Leuten an einem Problem zu arbeiten.»

So hätten sie als Eltern ihre Kinder auch nie unter Druck gesetzt, in welche Richtung sich diese politisch entwickeln. Ein Indiz dafür: Dominiks drei Geschwister sind bis jetzt überhaupt nicht politisch aktiv.

In der Pfalz sitzen Mutter und Sohn nicht nebeneinander

Ab dem 3. Juni sitzen Ursula und Dominik Egli nicht mehr nur gemeinsam am Küchentisch, sondern auch im Kantonsrat. Dann bilden sie das einzige Mutter/Sohn-Duo in der Pfalz. Was für manch anderes Eltern-Kind-Gespann eine unangenehme Situation wäre, sehen sie positiv. «Es ist doch schön, ist sie für mich da, wenn ich eine Frage habe», sagt Dominik Egli. Doch er, der sich als Lebensmitteltechnologe beim Flawiler Schokoladenproduzent Maestrani zumindest beruflich schon länger vom Feldhof verabschiedet hat, betont auch: «Ich möchte mich im Kantonsrat selber behaupten und nicht im Windschatten meiner Mutter mitfahren.»

Das will auch Ursula Egli nicht. Im Gegenteil: Sie schliesst bereits kategorisch aus, dass sie beide einmal in derselben Kommission sitzen, denn: «Sonst heisst es noch, die Eglis machen sich breit.» Auch nebeneinandersitzen wollen die beiden im Kantonsratssaal partout nicht. Lorenz Egli hält das ebenfalls für das Beste. Das Wichtigste sei nicht, dass man sich politisch immer einig sei, sondern «dass man am Abend wieder zusammensitzen und gemeinsam ein Bier trinken kann».

Und dass sie dies können werden, daran zweifelt an diesem Küchentisch auf dem Feldhof in Rossrüti niemand.

Kantonsrätin
Ursi

Ursula Egli-Seliner

Kantonsrat Stadtparlamentarier
Dominik

Dominik Egli