Bei den nächsten Wahlen könnte Wil einen Rechtsrutsch erleben – Die Ostschweiz
die OSTSCHWEIZ, Adrian Zeller
Gegen den Wiler Stadtpräsidenten Hans Mäder wurden im Juni zwei Strafanzeigen eingereicht. Sie könnten das über Jahre gewachsene politische Kräfteverhältnis in der Äbtestadt neu justieren.
Innert zwei Jahrzehnten hat sich die SVP in Wil zur wählerstärksten Partei entwickelt. Bei den nächsten Wahlen könnte sie das Amt des Stadtpräsidenten gewinnen. Grund dafür sind die publikumswirksamen Wahlkämpfe der Volkspartei, aber auch ein schwer nachvollziehbares Verhalten des jetzigen Amtsinhabers.
In Fabeln steht die Figur des Fuchses für Schlauheit. Fox, englisch für Fuchs, lautet der Vulgoname des Wiler Stadtpräsidenten Hans Mäder (Die Mitte). Im Wahlkampf 2020 setzte er intensiv auf diesen Zweitnamen als Werbeinstrument («fox4wil»).
Ebenso nutzte er Werbeaussagen wie «Vertraud Sie mir – es chunt guet» sowie «Ich mache Wil zur innovativschte Stadt vo de Schwiiz». Mit diesem Anspruch hängte er die Messlatte für seine erste Amtszeit selber sehr hoch.
Intransparente Interessenverflechtung
Mäder spielte die eCity-App als Trumpf aus: Die Stadt Wil lancierte 2021 in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und mit Vereinen eine Art lokale Social Media. Sie sollte die Stadt wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell neu beleben. Rund einem halben Jahr Betrieb wurde im Wiler Stadtparlament aufgedeckt, dass eine private Firma von Mäder in die Realisierung dieser App involviert war.
In der Folge beschäftigte sich die Geschäftsprüfungskommission (GPK) mit den intransparenten Vorgängen. Der Stadtpräsident beteuerte, diese Firma habe er aus rein praktische Gründe eingesetzt; er habe sich nicht persönlich bereichern wollen. Weiter rechtfertigte sich der 66-Jährige, er sei eben ein «Macher». Die Kritik an seinem Vorgehen wertete er als Wahlkampfmanöver.
Die GPK-Untersuchung stellte beim Stadtpräsidenten unter anderem unzulässige Umgehung des Stadtparlaments sowie Überschreitung der Finanzkompetenzen fest. Mäder hatte dem Stadtfonds für die eCity-App eigenmächtig 75 000 Franken entnommen.
Lange erwartete Einsicht
Ein Gutachten des Juristen Prof. Dr. Felix Uhlmann bestätigten die Ergebnisse der GPK: Der Stadtpräsident hatte sich über eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen hinweggesetzt. In der Folge gestand Mäder seine Fehler ein. Auf diese öffentlich geäusserte Einsicht hatten etliche Wilerinnen und Wiler lange gewartet. Gemäss einem Stadtratsbeschluss wurde die eCity-App auf Ende 2023 eingestellt.
Mit seinem Verhalten hat der Stadtpräsident der SVP-Fraktion kaum gewollt einen Steilpass zugespielt: In der entsprechenden Parlamentsdebatte musste er ausführliche Kritik des SVP-Mitglieds Klaus Rüdiger über sich ergehen lassen.
Profilzugewinn für die SVP
In den langwierigen Querelen um die eCity-App konnte sich die SVP als politische Kraft, die mutmassliche Fehlentwicklungen in der Wiler Politik anprangert, weiter profilieren. Dies gelang ihr bereits im Abstimmungskampf im April 2024 um eine Steuersenkung von 118 auf 115 Prozent. Die Stadt budgetiere nicht realistisch genug, hiess es seitens der SVP im Abstimmungskampf. «Nun haben wir es in der Hand, der ausufernden Ausgabenpolitik der Stadt einen Riegel zu schieben», äusserte das Ja-Komitee nach der gewonnenen Abstimmung. Neben der SVP gehörten auch der Hauseigentümerverband, der Gewerbeverein und die FDP zu den Befürwortern. «Es darf nicht sein, dass ständig für Minderheiten mehr Geld ausgegeben wird, aber diejenigen vergessen gehen, die den Grossteil finanzieren.»
Es überrascht wenig, dass in der Folge die Wiler SVP selber ins Rennen ums Stadtpräsidium steigt: mit ihren Parteipräsidenten Andreas Hüssy. Mäder hatte seinerseits bereits im vergangenen Herbst seine erneute Kandidatur für die Wahlen im kommenden September bekannt gegeben.
Willkommene Wahlkampfargumente
Als im Juni 2024 zwei Personen Strafanzeigen wegen ungetreuer Amtsführung, Amtsmissbrauch und Veruntreuung gegen Hans Mäder eingereicht haben, lag die Schlussfolgerung nahe, es handle sich um ein Manöver der SVP.
Die Wiler SVP distanzierte sich umgehend von der Urheberschaft dieser Anzeigen, man betreibe nicht auf diese Art Wahlkampf. Die Einreicher der Strafanzeigen sind bis jetzt unbekannt.
Gleichwohl dürfte dieser zusätzliche Imageschaden des Stadtpräsidenten der Schweizerischen Volkspartei im Wahlkampf nützlich sein und ihr willkommene Kritikpunkte am Stadtoberhaupt liefern.
Hans Mäder wird unter diesen Vorzeichen seinen Sitz kaum mit einem Glanzresultat verteidigen können. Dies könnte auch seinen politischen Rückhalt bei seiner Amtsführung schmälern.
Parteiwechsel im Stadtpräsidium möglich
Mit ihren Kernthemen Sicherheit im öffentlichen Raum, restriktive Ausgabenpolitik, Zurückhaltung bei der Bewilligung von neuen Stellen in der Verwaltung sowie Migration wird die SVP mutmasslich im Wahlkampf publikumswirksame Themen lancieren.
Es darf spekuliert werden, ob das Wiler Stadtpräsidium erstmalig von der Mitte an die SVP übergeht. Falls dem 42-jährigen Andreas Hüssy die Wahl zum Stadtpräsidenten nicht gelingt, könnte er es mindestens in den Stadtrat schaffen. Ob auch Ursula Egli (SVP) die Wiederwahl in den Stadtrat schafft, ist derzeit schwer abzuschätzen. Die GPK beschäftigt sich mit Vorwürfen, die Vorsteherin des Departements Bau, Umwelt und Verkehr habe die Stadtplanerin gemobbt.
Weitere Polarisierung erwartet
Dass künftig zwei SVP-Mitglieder im Wiler Stadtrat sitzen, ist durchaus im Bereich des Möglichen. Dann dürft Wil endgültig das Attribut einer CVP-Hochburg verlieren.
Wenn die SVP im Herbst ihre Präsenz in der Wiler Stadtregierung tatsächlich erhöhen kann, werden die Debatten im Wiler Stadtparlament aller Voraussicht nach noch polarisierter verlaufen. Einer effizienten Lösungsfindung bei politischen Sachvorlagen wird dies wenig zuträglich sein.