Tagblatt, Michael Nittnaus
In Wil wird Betteln künftig erlaubt sein – zumindest an gewissen Orten. Das bestimmte das Stadtparlament am Donnerstagabend. Die Opposition der SVP blieb chancenlos.
Es sind tatsächlich auffällige Zahlen, die Andreas Hüssy in der Tonhalle präsentierte. Der Präsident der SVP Wil hatte bei der Stadtpolizei St.Gallen nachgefragt, wie sich die Zahl der Bettlerinnen und Bettler seit vergangenen November entwickelt hat, als in der Kantonshauptstadt das allgemeine Bettelverbot gelockert wurde. Wurden im November und Dezember 2022 noch 22 Bettelnde registriert, waren es ein Jahr später – trotz geltendem Verbot – bereits 45. In den ersten beiden Monaten seit der Lockerung stieg die Zahl dann auf 70. Hüssy wusste dabei zu betonen, dass davon 45 Bettelnde aus Rumänien stammten.
«Die Lockerung hat offensichtlich zu einer Sogwirkung geführt», so sein Fazit im Wiler Stadtparlament. Auch die St.Galler Stadtpolizei verwende den Begriff «Betteltourismus». Entsprechend stellte die SVP-Fraktion am Donnerstagabend den Antrag, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten, welche den Artikel 11 des Wiler Polizeireglements anpassen wollte. Dort steht seit 2016 kurz und knapp: «Das Betteln ist in der Öffentlichkeit verboten.»
An vielen Orten bleibt Betteln verboten
Mit ihrem Anliegen stand die SVP allerdings alleine da. 29 Nein- standen am Ende den 9 Ja-Stimmen der SVP gegenüber. Mit 29:8 wurde dann auch die Reglementsanpassung beschlossen. Somit wird der Nachtrag I zum Polizeireglement gemäss der Fassung der vorberatenden Kommission geändert. Artikel 11 lautet nun: «Es ist verboten, durch Betteln an allgemein zugänglichen Orten die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung zu stören.»
Ergänzt wird er mit einer Aufzählung, was damit genau gemeint ist. Verboten bleibt somit Betteln «in aufdringlicher Weise», «mit unlauteren Methoden» und im Eingangsbereich von öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben; im Wartebereich des öffentlichen Verkehrs; bei Geld-, Zahlungs- und Billettautomaten; im Umkreis von fünf Metern um Verkaufsstände oder Aussenrestaurants; auf Friedhöfen, Spielplätzen, Schulanlagen und in Unterführungen sowie um deren Ein- und Ausgänge. Dazu kommt die explizite Erwähnung, dass es verboten ist, «andere Personen zum Betteln zu schicken».
Auch Antrag auf Volksabstimmung scheiterte
In den Augen aller anderen Fraktionen gab es gar keine andere Option, als zuzustimmen. Schliesslich liegen Entscheide des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesgerichts vor, die allgemeine Bettelverbote untersagen, da sie gegen die Grund- und Menschenrechte verstossen. Sebastian Koller (Grüne Prowil) sagte denn auch: «Das Festhalten am Wiler Polizeireglement würde gar nichts bringen, da übergeordnetes Recht gilt, das die Polizei umsetzen muss.»
Roger Edelmann (FDP) mahnte dennoch: «Wir wollen keine Zustände wie in St.Gallen. Dort hat man eine konsequente Umsetzung verschlafen.» Dass Wil bereits heute aktiv ist, zeigte SP-Fraktionschef Christof Kälin. Seit 2017 habe die Polizei wegen Bettelei 29 Ordnungsbussen und 69 Wegweisungen ausgesprochen. Dies könne auch künftig angewendet werden.
Trotz des Wissens, das nötige Quorum von 14 der 40 Stimmen nicht erreichen zu können, stellte Hüssy im Namen der SVP zuletzt noch den Antrag auf ein Ratsreferendum. Doch auch hier stimmten nur die neun SVP-Mitglieder zu. Es kommt somit zu keiner Volksabstimmung.